Eine Theaterreise ins Feld bei Nacht– Die verfallenen Gewächshäuser als Kontrast zu den glatten Glaspalästen der Postmoderne öffnen unsere Sinne für die dunkle Seite der Romantik, den Verfall, das Morbide, den Tod. Im Umgang mit dem Unzeitgemäßen, dem Vormodernen zeigt sich die Zukunftsfähigkeit unserer Zivilisation. Wir wandeln und phantasieren an einem Un-Ort der Stadt, der jene Schätze birgt, die wir in der Postkartenidylle vergeblich suchen.
Inhalt: Friedrich L. Hardenbergs (Novalis) kurzes Leben lässt sich in seiner realen, poetischen und geistigen Ausrichtung auf einen Nenner bringen: Wiederverzauberung. Mit Zauberstab will er das Buch der Natur öffnen und den Göttern der Alten die Rechte wieder zuweisen.
Friedrich Hölderlin versenkt sich unter derselben Prämisse in den griechischen Mythos, um mit seinem Selbst ganz in ihm aufzugehen. Er will Natur und Geschichte/Kunst umschließen, und deren gegenseitige Durchdringung im Kunstwerk erfahrbar machen.
Imagination kann so verwirklicht und Wirklichkeit imaginiert werden. Deren Einheit schafft jene Poetisierung der Welt, durch die sich die Trennlinie zwischen Subjekt und Natur aufhebt.
Alles Sein wird zum erhabenen Einzigen zurückgeführt. Die Armatur der Sinneswerkzeuge füllt das Denken mit der praktischen Idee; denn wir wissen nur, insoweit wir machen. Im Handeln und Tun liegt so der Schlüssel zum wirklichen und erfüllten Sein. Und keine Praxis ist dazu mehr geeignet als die Kunst. Sie ist dem Traum verwandt und fördert wie dieser die freie Erholung der gebundenen Phantasie.
Für die deutsche Klassik war das entseelte Wort der Inbegriff des Verlusts. Und im Zwielicht der heiligen Dämmerung verbirgt sich die Tat, barbarisch und gefühllos. Nicht um pittoreske Romantik geht es den Protagonisten der Bewegung, nein, ums Ganze: die nackte Existenz, den Tod in allem Lebenden und den Zweifel am Zivilisatorischen.
„Im Zwielicht Wandeln“ will dieses Koordinatensystem nachzeichnen, indem persönliche, literarische und philosophische Impulse aus den Werken, Briefen und Gedichten vorzüglich der Heidelberger Romantiker aufgegriffen und im Lichte unterschiedlicher Genres akzentuiert werden. Die schicksalhaften Wendungen im Leben der Protagonisten werden im wahrsten Sinne mitgegangen. Die Arbeit ist selbst Fragment, fordert heraus zum Mittun. Erleben im buchstäblichen Sinne, performative Akte, sind das Gerüst der Handlung. Ein Neues Werk entsteht, während Subjektives mobilisiert und freigesetzt wird.
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Darsteller und Zuschauer nehmen An-Teil, dass Schau-, Klang- und Erlebnisräume um sie herum und mit ihnen entstehen, die im Akt des Vollzugs die Poetisierung der Welt erfahrbar machen. Alle sind sie Teil-Nehmer, Fragmente des Lichts, die als Leuchtspuren die Nacht und den Nebel nachhaltig verzaubern.
Konzept: Die verfallenen Gewächshäuser des Handschuhsheimer Feldes werden zum Ort der Wiederverzauberung. Während der Wanderung diesseits und jenseits der zersprungenen Gläser treffen die Zuschauer auf Darstellungen, Lieder, Choreographien, gefüllt mit den Lebensspuren der Künstler. Grenzen zwischen Darbietung und Aufnahme verschwimmen. Alle werden zu Beteiligten.
Der Un-Ort:
Die Felder sind seit Jahren ein Zankapfel der Politik. Die Vereinigung der Bauern wehrte sich gegen 1. einen Autobahnzubringer 2. einen Bebauungsplan 3. einen Großbau des Reitervereins 5. Expansionspläne des Tennisvereins. Die (Bio-)Bauern wohnen in der Regel bei ihren Feldern und haben eine Infrastruktur von Hofläden aufgebaut.
Ziele:
Diese Möglichkeiten, 3 km vom Zentrum der Stadt ursprüngliches Kulturland zu erleben, wird zwar geschätzt, doch wenn es um die sog. Innovation geht, sind diese traditionellen Strukturen im Weg. Durch die Beteiligung alteingesessener Vereine (Feuerwehr, Stadteil-, Gesangsverein etc.) und junger urbaner Gruppen werden die Widersprüche thematisiert. Ein Kunstprojekt, initiiert und getragen von professionellen Künstlern, mit den Bürgern und für die Bürger der Stadt. Auch dort riesige Häuser aus Glas, hell beleuchtet.
Realisierung: Das Kristallglas und seine Sackgasse, der Spiegel, umzäunen die Wanderwege des urbanen Nomaden. Sie weisen zugleich auf eine latente Gefahr: Verfall! Matt, zerbrochen, zersplittert sind sie Symptome für das Morbide, die Auflösung.
Aufgesucht werden zunächst Orte der Stadt, die intakt scheinen, rein und klar: Schaufenster, allenthalben seichte Musik, schöne Bilder!
Die Straßenbahn bringt die Reisenden dann aus der Stadt ins Feld. Hinter den Scheiben der Waggons vollziehen sich kleine Dramen des Abschieds, aber auch des Drängens nach dem Hinaus ins Weite, ins Feld.et. Chorgesang der Männer! Aber direkt daneben holt die Natur sich wieder, was der Mensch im Übermaß produziert hat: zerfallene Gewächshäuser, hier ist der Kern des Romantischen zuhause! Berge von verfaulendem Obst und Gemüse, vor sich hin rostende Geräte und Maschinen, die Natur zeigt Überdauerndes! Und über allem Scharen von Krähen, wir hören Schuberts Musik!
Idee und Konzeption Hubert Habig
Dramaturgie Christiane Adam
Organisation und Logistik Christian Pieterek
Produktionsassistenz Tina Hüther
Besetzung:
Sängerin Jutta Glaser
Achim von Arnim Florian Kaiser
Clemens Brentano Edgar Diel
Sophie Mereau Julia Schmitt / Annika Keidel
Karoline von Günderrode Elisabeth Schlicksupp / Jeanette Bohr
Auguste Bußmann Svetlana Wall
Bettine Brentano Jeanette Bohr
Katharina von Emmerick Elisabeth Schlicksupp
Nachtmahr Julik Mkrtumian
Hölderlin-Exkurs Andreas Seifert
Regie Hubert Habig
Choreographie 1 Christina Liakopoyloy
(Nostos Tanztheater , Tanzperformance)
Choreographie 2 Mario Heinemann
Räume und Bauten Motz Tietze
Kostüme Marcela Snaselova
Assistenz Lea Fuchs
Koop-Partner:
Kulturamt Heidelberg, Nostos Tanztheater mit Tanzperformance 8, Theater Carnivore, Theaterakademie Mannheim, Stadtteilverein Handschuhsheim e.V., Freiwillige Feuerwehr Heidelberg-Handschuhsheim, Rhein-Neckar-Zeitung, TSC Blau-Silber Ladenburg mit Nostalgie-Tanzgruppe, Liederkranz 1847 HD-Handschuhsheim, Gärtnervereinigung HD-Handschuhsheim, GV Thalia 1919 HD-Handschuhsheim
Innovationsfonds Baden Württemberg, Stadt Heidelberg Kulturamt, Sparkasse Heidelberg, Heidelberger Volksbank, Octopharma, BGRCI, Unterwegstheater sowie die Familien Stockert, Grieser, Hornig, Lenz, Schröder, Koppert, Horsch, Huber
Probefotos: Copyright © Wolfgang Detering
Presseecho:
Rhein-Neckar-Zeitung 12. Januar 2015
Mannheimer Morgen Januar 2015